Diakonie in den Gemeinden – vor Ort Hilfe leisten

Am 27. November 2024 organisierte die Diakoniekommission der Evangelischen Landeskirche in Weinfelden mit 20 Interessierten aus Kirchgemeinden einen Impulsabend. Als Interviewpartner respektive Referent waren unter anderem Pfarrer Beat Müller sowie Pfarrer Damian Brot im Einsatz.

Pfarrer Beat Müller steht Diakoniekommissionsmitglied Brigitte Hascher Red' und Antwort. Bild: zVg

In einem engagierten Einstiegsreferat legte Pfarrer Frank Sachweh dar, dass Diakonie als «Kunst des Helfens» schon im Wesen Gottes angelegt ist. Gott zeigt sich z.B. im Psalm 146 als Beschützer, der für Witwen, Waisen und Bedrängte einsteht. Helfen gehört zur Schöpfung Gottes und soll als Lebensäusserung der christlichen Gemeinde sicht- und fruchtbar werden. Kirchgemeinde sind heute mehr denn aufgefordert und herausgefordert, geknickte, gebrochene und verlorene Menschen aufzunehmen und ihnen Heimat zu schenken.

Pläne für Zukunft formulieren
Wie die Fachstelle bei Arbeitslosigkeit im laufenden Jahr in die Fachstelle Gemeindeentwicklung umgewandelt wurde, erläuterte Kirchenrat Pfarrer Paul Wellauer: Viele Kirchgemeinden hätten zunehmend Mühe, ihr kirchliches Leben zu gestalten und Pläne für die Zukunft zu formulieren. Sie fragen daher bei der Landeskirche um Beratung und Unterstützung an. Diesen Bedürfnissen könne die neue Fachstelle begegnen. Paul Wellauer versicherte, dass ihm das Anliegen der Diakonie in den Gemeinden mit der Perspektive von «Sorgenden Gemeinschaften» (Caring Communities) weiterhin ein grosses Anliegen sei und der Kirchenrat sich weiterhin dafür einsetzen werde. Er dankte den Vertreterinnen und Vertretern aus den Gemeinden für ihren treuen und engagierten Einsatz für die vielfältigen diakonischen Dienste im Gemeindeleben.

Würde des Gegenübers hochhalten
Da René Büchi als mehrjähriger Leiter der Fachstelle bei Arbeitslosigkeit aus gesundheitlichen Gründen verhindert war, sprang spontan der früherer Stelleninhaber Pfarrer Beat Müller ein. In einem Interview beantwortete er die Fragen von Diakoniekommissionsmitglied Brigitte Hascher. Als Zusammenfassung seiner Tätigkeit präsentierte er «drei E»: Eigene Grenzen sehen, Ehrlichkeit und Ermutigung. Er zeigte am Beispiel des barmherzigen Samariters, dass unsere Hilfe immer begrenzt ist und wir nichts tun sollten, das andere besser können. Wir leisten «erste Hilfe», begleiten die Hilfesuchenden aber auch zu Fachstellen, die kompetenter als wir weiterhelfen können. Damit halten wir die Würde des Gegenübers hoch und helfen, dass dieses sein Lebensheft selbst in der Hand behält. Ehrlichkeit gegenüber den Hilfesuchenden, sich selbst und den Fachstellen gegenüber sei das A und O, meinte Beat Müller weiter. Nur so könnten tragbare Lösungen gefunden werden. Und Ermutigung bestehe vor allem darin, dass wir Kirchenmenschen in der Regel mehr Zeit zur Verfügung stellen können als die staatlichen Beratungsstellen. Einem Menschen zuhören und in seinem Lebenslauf Perlen zu entdecken, die er danach in seinen Lebenslauf und sein Bewerbungsschreiben einflechten kann, sei eine Mutmachende Aufgabe. Auf die Frage, ob er Hilfesuchenden manchmal auch Geld gebe, antwortete Beat Müller recht dezidiert, dass Geld selten eine Lösung sei. Wenn, dann gehe er mit den Personen gleich einkaufen oder stelle ihnen Lebensmittel zur Verfügung, selten einen Migros-Gutschein, der nicht in Alkohol umgesetzt werden könne. Und auch für den Kontakt mit den Ämtern empfahl Beat Müller, das persönliche Gespräch am Telefon oder im direkten Kontakt zu suchen, da dies weit mehr Vertrauen aufbaue als schriftliche Stellungnahmen. 

Schlummerndes Potential entdecken
Pfarrer Damian Brot erläuterte anhand vieler fröhlicher und ernster Bilder und klärender Grafiken die Entstehung des Open Place in der Kirchgemeinde Kreuzlingen, wo Menschen mit unterschiedlichsten Bedürfnissen seit gut 10 Jahren ein offenes Ohr, Begegnungs- und Gestaltungsmöglichkeiten finden. Zuerst sei nur ein Begegnungskaffee gewesen, wo Menschen sich begegnen konnten und ein offenes Ohr fanden. Daraus sind mit Eigeninitiative der Betroffenen nach und nach verschiedene Gefässe gewachsen: Ein Mittagstisch, eine Lebensmittelabgabe und Kleiderbörse, ein Kunstatelier und vieles mehr. Deutlich spürbar wurde, dass die Hilfesuchenden nicht auf Grund ihrer Defizite wahrgenommen werden, sondern ihr schlummerndes Potential wird entdeckt, geweckt und zum Strahlen und Klingen gebracht. Damian Brot gestand ein, dass dies zunächst recht unstrukturiert geschah und er sehr froh ist, dass er Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, die diese Arbeit in Zusammenarbeit mit der Kirchgemeinde mit sinnvollen und tragfähigen Strukturen und Abläufen ausstatten. Ein Höhepunkt war die Zusammenarbeit mit einer Gruppe von Architekturstudierenden, die mit dem Open Place neu Formen und Räume des Kirche-Seins erforschten und konkrete Ideen vorstellten. Diakonisches Handeln und Gestalten ist eine wesentliche Form kirchlichen Lebens, eine, die in der Gesellschaft am ehesten wahrgenommen wird. Seine Ausführungen fasste Damian Brot im Gespräch mit Diakon Matthias Dietz mit «5G» zusammen: Genau hinhören, Gutes tun, Gemeinschaft, Glauben entdecken und Gemeinde entsteht.
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