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Kirche lädt Gleichgeschlechtliche ein, sich zu trauen

Die Evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau will dazu beitragen, dass gleichgeschlechtliche Paare unkompliziert eine Pfarrerin oder einen Pfarrer und einen Ort finden, an dem sie sich kirchlich trauen lassen können. Der Kirchenrat hat zum Umgang mit der «Ehe für alle» eine Leitlinie herausgegeben.

In einem eingehenden Diskussionsprozess hat die Evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau eine Leitlinie zur kirchlichen Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren erarbeitet. Am 8. November 2022 hat der Kirchenrat ein Kreisschreiben mit dem Titel «Umsetzung der "Ehe für alle" bei kirchlichen Trauungen» veröffentlicht. Es soll Klarheit zu den rechtlichen Bestimmungen schaffen und die Kirchgemeinden und die Pfarrerinnen und Pfarrer im Umgang mit dem Wunsch von gleichgeschlechtlichen Paaren nach einer kirchlichen Trauung unterstützen.

Übernahme des staatlichen Eheverständnisses
Seit dem 1. Juli 2022 können in der Schweiz gleichgeschlechtliche Ehen geschlossen und bestehende eingetragene Partnerschaften in Ehen umgewandelt werden. Die Evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau stand vor der Frage, ob sie das neue staatliche Eheverständnis auch für die kirchliche Traupraxis übernehmen sollte.

Kirchenordnung muss nicht angepasst werden
In der Kirchenordnung der Thurgauer Landeskirche wird die kirchliche Trauung als «Gottesdienst» bezeichnet, in dem der «Ehebund vor Gott bestätigt» und die «eheliche Gemeinschaft unter sein Wort und seinen Segen gestellt» wird. «Die Eheleute bekennen, dass sie einander aus Gottes Hand annehmen und versprechen, ihre Ehe mit seiner Hilfe in christlicher Liebe und Treue zu führen.»
Der Thurgauer Kirchenrat versteht die Formulierung in der Kirchenordnung so, dass damit auch die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Paaren gemeint ist. Die Thurgauer Landeskirche lädt gleichgeschlechtliche Paare ein, ihren Ehebund durch die kirchliche Trauung vor Gott zu bestätigen. Es gelten die üblichen rechtlichen Bestimmungen. Anspruch auf eine kirchliche Trauung hat ein Paar, wenn eine/r der Partner/innen der Evangelischen Landeskirche angehört.

Kirchenratskanzlei vermittelt Pfarrperson und Raum
In der Praxis wenden sich die Paare für eine kirchliche Trauung an eine Pfarrperson ihres Vertrauens oder an die Landeskirche. Die Kirchenratskanzlei vermittelt auf Anfrage eine Pfarrperson und einen Ort, an dem die kirchliche Trauung stattfinden kann.
Auf den Dienst der Landeskirche für gleichgeschlechtliche Paare, die eine kirchliche Trauung wünschen, soll auf der Webseite der Landeskirche hingewiesen werden. Auch Kirchgemeinden und Pfarrpersonen können auf den Dienst der Landeskirche verweisen. Gleichgeschlechtliche Paare sollen so unkompliziert eine Pfarrperson und einen Ort finden, an dem sie ihren Ehebund vor Gott schliessen können.

Pfarrpersonen sind nicht verpflichtet
Mit der Übernahme des neuen staatlichen Ehebegriffs folgt der Thurgauer Kirchenrat der Empfehlung der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz EKS und wahrt die Gewissensfreiheit der Pfarrerinnen und Pfarrer, indem er festhält, dass keine Pfarrperson zur Durchführung einer kirchlichen Trauung verpflichtet werden kann. Er stützt sich dabei auf den Gewissenskonflikt-Paragraphen der Thurgauer Kirchenordnung.
In seiner Antwort auf eine Interpellation, die im Kirchenparlament (Synode) zur Umsetzung der «Ehe für alle» bei den kirchlichen Trauungen eingereicht wurde, hält der Kirchenrat fest, dass er die «Gültigkeit theologischer Begründungen nicht zu beurteilen» habe, wenn eine Pfarrperson sich auf die Gewissenfreiheit berufe und eine Trauung eines gleichgeschlechtlichen Paares ablehne. Bei «Gewissenskonflikten» sieht die Kirchenordnung vor, dass eine Pfarrerin oder ein Pfarrer Amtstätigkeiten, die er oder sie nicht mit dem Ordinationsgelübde in Einklang bringen kann, nach Rücksprache mit dem zuständigen Dekan ablehnen kann.

Kirchgemeinden haben Entscheidungsspielraum
Spielraum lässt die Leitlinie des Thurgauer Kirchenrates für die Kirchgemeinden und ihre Behörden offen, wenn sie entscheiden, ob sie ihre Räume für kirchliche Trauungen von gleichgeschlechtlichen Paaren zur Verfügung stellen. Der Kirchenrat begründet die offene Formulierung mit der Autonomie der Kirchgemeinden und mit möglichen «religiösen Gefühlen» der Mitglieder der Kirchenvorsteherschaft.
Im Begleitbrief zur Leitlinie zeigt sich der Thurgauer Kirchenrat davon überzeugt, dass mit der getroffenen Regelung zum Ausdruck komme, dass gleichgeschlechtliche Paare in der Thurgauer Landeskirche willkommen seien: «Die Leitlinie ermöglicht einen Umgang im gegenseitigen Respekt. Die Gewissensfreiheit der Pfarrpersonen, die religiösen Gefühle der Mitglieder der Kirchenvorsteherschaften und die Autonomie der Kirchgemeinden werden gewahrtt.

Sorgfältiger Diskussions- und Gesprächsprozess
Die Leitlinie des Kirchenrates ist in einem sorgfältigen Diskussions- und Gesprächsprozess entstanden. Begonnen hat der Denk- und Meinungsbildungsprozess zur «Umsetzung der "Ehe für alle" bei kirchlichen Trauungen» am 27. September 2021 an einem Gesamtkapitel in der Kartause Ittingen. In den weiteren Prozess waren die Dekane der vier Kapitel einbezogen. Sie haben bei der Formulierung des Kreisschreibens mitgewirkt.

Text: Ernst Ritzi, Aktuar des Evangelischen Kirchenrates des Kantons Thurgau
Bild: Symbolbild iStock

Weitere Informationen:
Kreisschreiben «Umsetzung der "Ehe für alle" bei kirchlichen Trauungen»
Begleitbrief zum Kreisschreiben «Umsetzung der "Ehe für alle" bei kirchlichen Trauungen»

Interpellation "Ehe für alle"
Wortlaut und Begründung:
Antwort des Kirchenrates:

Kommentare (1)

  • Nilo Schollenberger
    am 12.11.2022
    Ich frage mich, nach welchen Richtlinien sich die Thurgauer Evangelische Landeskirche ausrichtet. Ist es der Zeitgeist dieser Welt oder Gottes Wort, also die Bibel, die Grundlage der christlichen Kirche? Der Zeitgeist breitet sich immer schneller aus. Alles ist erlaubt, alles wird toleriert, es gibt kaum noch Grenzen. Und so ist es nicht verwunderlich, dass immer mehr gläubige Menschen der Kirche fernbleiben.
    Von der Person Jesus Christus stammen die wesentlichen Grundlagen unseres Glaubens und die christlichen Werte. Die Kirche hat zuerst den Auftrag, das Evangelium mit seiner rettenden Botschaft und seinen Lebensregeln zu vermitteln, auch heute. Wenn die Leute merken, dass die Kirche sich immer weniger darum bemüht, gehen sie auf Distanz. Sie suchen alternative Angebote, auch sehr fragwürdige. Wann gestehen wir uns ein, dass unsere Gesellschaft in einer Sackgasse steckt? Das Leben in dieser Welt ist immer mehr von Gottlosigkeit, Unmoral, Zerstörung und Ausbeutung gezeichnet. Sollte die Kirche da nicht einen Gegenpol setzen anstatt noch mehr zu verunsichern? In der Bibel lese ich: «Und Gott schuf den Menschen als sein Bild, als Bild Gottes schuf er ihn; als Mann und Frau schuf er sie. Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und vermehrt euch und füllt die Erde, und macht sie (euch) untertan.» (1. Mose 1,27-28)
    Nilo Schollenberger, Arbon

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