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Sozialhilfe und Diakonie: «Gerecht ist, wenn jeder seine Arbeit macht»

Wie kann sich die Kirche im Spannungsfeld von Caritas und staatlicher Sozialhilfe so positionieren, dass Bedürftigen zum einen geholfen werden kann und zugleich die Vorgaben des Sozialstaates eingehalten werden können?

Mit solchen Fragen setzte sich Ende März ein Informations- und Impulsabend zum Thema «Zusammenspiel von (staatlicher) Sozialhilfe und (kirchlicher) Diakonie» auseinander. Zu diesem hatte die Evangelische Landeskirche des Kantons Thurgau nach Weinfelden eingeladen. Der Abend richtete sich an Mitarbeitende der Kirche, die im Rahmen ihrer sozialen Aufgaben die Aspekte der Diakonie – Mitmenschlichkeit, Barmherzigkeit, soziale Verantwortung, Solidarität und Sicherheit – umzusetzen haben. Mit Astrid Strohmeier führte eine Fachfrau durch den Abend, leitet diese doch das Kompetenzzentrum Soziale Dienste See (KSDS) in Münsterlingen, das von den Gemeinden Münsterlingen, Güttingen, Kesswil, Langrickenbach und Bottighofen getragen wird.

Kein Spielraum vorhanden
Strohmeier legte ausführlich dar, nach welchen gesetzlichen Vorgaben die Sozialen Dienste funktionieren und erläuterte, wann, wer, was zugute hat. Dabei besteht bei den Zahlungen kein Spielraum, denn die Kantone legen aufgrund der kantonalen Sozialhilfegesetze und der Anwendung der Sozialhilfekonferenz-Richtlinien (Skos) die Parameter für die zu leistenden Zahlungen fest. Dass ukrainische Flüchtlinge scheinbar unkomplizierter Leistungen erhielten als Asylbewerber, sei kein Entscheid, den die sozialen Dienste fällten, sondern die Politik. Die Frage, was Gerechtigkeit ist, beantwortet Strohmeier für sich so: «Gerecht ist, wenn jeder seine Arbeit so macht, sodass er sich am nächsten Morgen im Spiegel ansehen kann». 

Gemeinsam Lösungen suchen
Die Partnerschaft zwischen Kirche und Sozialen Diensten könnte auf viele Arten gefestigt werden, so Strohmeier. Da am meisten Jugendliche und junge Erwachsene, Alleinerziehende sowie Personen ab dem 50. Altersjahr von Armut betroffen sind, kann man hier nach gemeinsamen Lösungen suchen. Auch leisten Kirchenmitglieder mit Besuchen bei Seniorinnen und Senioren «wertvolle Dienste», da sie diese so vor Vereinsamung und Dummheiten bewahren, wie sie eine betagte Thurgauerin beging. Diese glaubte den Liebesschwüren eines Mannes im Internet, überwies ihm 1,2 Millionen Franken und – hat nun weder Liebe noch Geld. Ergänzungsleistungen erhält die Frau nicht, da sie in der Steuererklärung noch als vermögend gilt.

Kindeswohl schützen
Froh sind die Soziale Dienste auch, wenn sie aufs soziale Netzwerk der Kirchen zurückgreifen können. Zum Beispiel, wenn es darum geht, Wohnungen für Flüchtlinge gut und schnell einzurichten. «Wer helfen möchte, kann uns anrufen; dann besprechen wir die Bedürfnisse und Vorgehensweise gerne ganz genau», so Strohmeier. Und wann sollten sich kirchliche Mitarbeitende unbedingt an die Sozialen Dienste wenden? «Da wo das Kindswohl gefährdet ist. Es gibt in der Schweiz kein grösseres Wohl als das Kindeswohl. Ich bin absolut dafür, dass man ihnen alles zur Verfügung stellt, denn sie sind es, die uns einmal die AHV bezahlen und alles am Laufen erhalten».

Christof Lampart
 

Astrid Strohmeier, Leiterin Kompetenzzentrum Soziale Dienste am See, erläuterte die gelingende Zusammenarbeit zwischen staatlicher Sozialhilfe und kirchlicher Diakonie.

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