Stürmische Zeiten 1524: Stationenweg eröffnet

Mit einer Auftaktveranstaltung wurde am 1. Mai in Stammheim der Stationenweg in Gedenken an den Ittinger Sturm vor 500 Jahren offiziell eröffnet. Am Nachmittag gab es in der Kartause Ittingen vor rund 80 Gästen zahlreiche Grussworte, untermalt von stimmiger Volksmusik.

Der Stationenweg von Stein am Rhein bis nach Frauenfeld zeichnet den Weg nach, auf dem die wütenden Bauern und Bäuerinnen vor 500 Jahren losgestürmt waren. «Es waren nicht nur sozialpolitische, sondern auch geistlich-religiöse Aspekte, die diesen Zorn, diesen Sturm auslösten. Die Menschen konnten die Bibel lesen, hinterfragten kritisch und liessen nicht mehr alles mitsich geschehen», sagte Pfarrer Wilfried Bührer, Präsident des Vereins tecum bei der Begrüssung. Zwei Jahre lang hatte sich ein siebenköpfiges Team unter der Leitung von Bührer mit den historisch prägenden Ereignissen auseinandergesetzt. Das Resultat dieser Arbeit sind sieben Gedenktafeln zu den entscheidenden Orten des Ittinger Sturms, die alle auch im Kreuzgang des Ittinger Museums zu sehen sind.

Podcasts mit fiktiver Familie
Einerseits gibt es auf den Tafeln historische Informationen sowie Denkanstösse zu lesen. Andererseits kann man via Podcasts direkt in die Geschichte eintauchen. Pfarrer und Leiter tecum Thomas Bachofner hat zu jeder Station einen Podcast produziert. So lässt er die fiktive Familie Lehmann, unterwegs auf den Spuren des Ittinger Sturms, in der Kartause beispielsweise den Stallknecht Hans Winkler treffen, der die wütende Menge hautnah miterlebt hat. Passend zur Zerstörung spielte die Musikformation Saitenschletzer unter der Leitung von Pfarrer Markus Aeschlimann ein dramatisches Stück aus Irland.

Reformen auch heute notwendig
Die ersten Grussworte überbrachte Carlo Parolari als Vertreter des Ittinger Stiftungsrates. «Als ehemaliger Landvogt, sprich Stadtpräsident von Frauenfeld, habe ich nie einen Pfarrer verhaften lassen», sagte Parolari in Anspielung an den Auslöser für den Sturm von vor 500 Jahren und erntete damit zahlreiche Lacher. Er sei dankbar, dass die Anhänger des alten und neuen Glaubens sich nicht mehr bekämpfen, sondern gemeinsam auf die Feierlichkeiten des historischen Ereignisses hingearbeitet haben. Als «kein Jubelanlass für die Katholiken» bezeichnete Cyrill Bischof, Kirchenratspräsident der katholischen Landeskirche im Thurgau, den reformatorischen Aufbruch von damals. Bischof sagte: «Reformen sind heute auch in der katholischen Kirche nötig, da diese in schwierigen Zeiten steckt und sich von den Menschen entfremdet.» Die Auseinandersetzung mit der Aktualität, die Aufarbeitung, das stete Dranbleiben für eine gerechte und nachhaltige Welt, dafür steht für ihn der Ittinger Sturm. Und wenn es nach ihm ginge, so Bischof, würde er die Gräben zwischen der katholischen und der evangelischen Kirche zuschütten. 

Miteinander statt gegeneinander
Christina Aus der Au, Kirchenratspräsidentin der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau, nahm den Faden sogleich auf. «Ich komme auf das Fusionsangebot zurück», antwortete sie schlagfertig. In ihrem Grusswort ging es um das, was uns heute wütend macht. Um Menschen, die nicht gesehen werden, um eine Kirche, die sich einigelt und abschottet. Und sie versetzte sich in die wütenden Bauern und ja, auch Bäuerinnen, von damals. «Wenn das stimmt, was Zwingli, Luther und der Pfarrer von Burg gesagt haben, geht uns das etwas an», mögen sich die Leute gedacht haben. «Und der Glaube setzte in Bewegung und rief zum Widerspruch auf», so Aus der Au. Die Menschen wollten mitreden, mitregieren – wenn es sein musste, mit Gewalt. Und die Kirche wolle sich heute dafür einsetzen, dass nicht gegeneinander, sondern miteinander gestritten und geredet werde.Nach den vielen Worten und Hinweisen auf die Ausstellung im Ittinger Museum sowie die weiteren Anlässe konnten sich die Gäste im Foyer verköstigen, musikalisch unterhalten wiederum von den Saitenschletzern.

Informationen zum Stationenweg und zu weiteren Anlässen: www.tecum.ch oder www.1524.ch

Bildimpressionen der Eröffnung des Stationenweges zu den Gedenkfeierlichkeiten des Ittinger Sturms 1524