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Bodensee-Friedensweg: Ist der Pazifismus gescheitert?

500 Menschen versammelten sich am Ostermontag in Heiden AR zum internationalen Bodensee-Friedensweg. Neutralität und Pazifismus aus unterschiedlichen Blickwinkeln, sowie soziale Gerechtigkeit als Voraussetzung für Frieden bildeten die Themenschwerpunkte im Podiumsgespräch.

Zusammen:Halt! war das doppeldeutige Motto des internationalen Bodensee-Friedensweges, der dieses Jahr hinauf nach Heiden führte. Gallus Pfister, Gemeindepräsident von Heiden, sprach aus, was viele beschäftigt: «Als Bürgermeister des Friedens ist mein Glaube, dass Friede mit politischen Mitteln erreicht werden kann, tief erschüttert worden. Hoffnung gibt mir unser Zusammenstehen hier. Gott segne Sie alle!»

Der Sternmarsch aus drei Gruppen traf beim Henry-Dunant-Museum zusammen, um dort die Friedensglocke aus Nagasaki zu läuten. Gemeinsam zogen die 500 Teilnehmenden hinauf zum Dunant-Platz. Andreas Ennulat moderierte das Podiumsgespräch mit der St. Galler Nationalrätin Barbara Gysi, mit dem Direktor der Schweizerischen Friedensstiftung und Politikwissenschaftler Prof. Dr. Laurent Goetschel von der Uni Basel und mit Andreas Zumach, Journalist und ehemaliger UN-Korrespondent in Genf. Die Brass-Band Rehetobel spielt in den Pausen; einige finden etwas abseits im Kreis mit Gesang und Friedensgebeten zueinander.

Werthaltung und Neutralität
Goetschel definierte Neutralität als Recht eines Staates auf Nichtteilnahme an Kriegen und Konflikten: «Es gibt jedoch keine Gesinnungsneutralität. Die Schweiz kann und soll Stellung beziehen, wo sie eigene Werte und das humanitäre Völkerrecht verletzt sieht. Es würde der Schweiz nicht schlecht anstehen, generell auf Waffenproduktion und -exporte zu verzichten.» Zumach doppelte nach: «Die Schweiz kann Stellung beziehen: Oligarchengelder einfrieren, Aufnahme- und Willkommensprämien für russische wie ukrainische Desserteure.»

Pazifismus verteidigt
Zumach konterte Pazifismuskritik: «Pazifismus kann nicht gescheitert sein, weil er bisher nicht praktiziert wurde. Pazifismus bewährt sich, wenn man ihn rechtzeitig einsetzt.» Dazu gehöre die Früherkennung von Konflikten als Basis zur Deeskalation auf zivilem Verhandlungsweg. Pazifisten dürften sich jedoch nicht vor ihrer Verantwortung drücken und müssten auch Überwachung durch UNO-Mandate akzeptieren. Die UNO müsse als diejenige Instanz gelten, die allein berechtigt ist, im Namen der Weltgemeinschaft und der universal gültigen Menschenrechte zu sprechen und entsprechend Druck auf die Kriegsparteien, besonders die Angreifer, auszuüben. Voraussetzung sei die Beschlussfassung durch eine qualifizierte Mehrheit der UN-Generalversammlung ohne Vetorecht. Der Journalist warnte vor westlicher Eskalationsrhetorik und vor militärisch-politischen Maximalforderungen.

Verteilkampf und Arm-Reich Schere
«Wenn der soziale Friede aus dem Blickfeld gerät, sind weitere Konflikte vorprogrammiert», ist Nationalrätin Barbara Gysi überzeugt. Die Bankenkrise zeige, dass genug Geld vorhanden sei, nur sei es schlecht verteilt. Sie spricht sich für Steuergerechtigkeit auf nationaler wie internationaler Ebene aus: «Es darf nicht sein, dass wir unseren Wohlstand auf Kosten ärmerer Länder leben. Wir müssen unsere Verantwortung für den globalen Süden tragen.»

Unterstützt wird der seit fast 40 Jahren etablierte Ostermontagsanlass von knapp 100 Organisationen, darunter auch die beiden Thurgauer Landeskirchen. Der nächste Bodensee-Friedensweg findet am 1. April 2024 in Friedrichshafen statt.

Brunhilde Bergmann

Beim Henry-Dunant-Museum in Heiden AR wird die Friedensglocke aus Nagasaki als Auftakt zum internationalen Bodensee-Friedensweg geläutet. Bild: Brunhilde Bergmann

Journalist Andreas Zumach, Nationalrätin Barbara Gysi und Moderator Andreas Ennulat bei ihren Referaten am internationalen Bodensee-Friedensweg in Heiden AR.Bild: Brunhilde Bergmann

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