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Der Geschmack von Zimt erinnert an Weihnachten

Esskulturhistorikerin Karin Peter hat die Besucherinnen und Besucher des ökumenischen Schöpfungszeit-Gottesdiensts in Berlingen in die Welt des Geschmackssinns entführt und dabei auch Gefühle und Erinnerungen wachgerufen.

 

Für einmal waren im Gottesdienst auch Zunge, Gaumen und Nase angesprochen. Die Köstlichkeiten, die die Kreuzlinger Esskulturhistorikerin Karin Peter am Sonntag, 1. September, für den Apéro zum Abschluss des ökumenischen Schöpfungszeit-Gottesdienstes bereitgestellt hatte, stammten alle aus der Region: Wasser, Rot- und Weisswein, Brot, Käse, Baumnüsse und Dörrbirnen. In ihrem Vortrag zum Thema «Wie schmeckt Glück?» hatte Karin Peter den gegen 50 Gottesdienstbesucherinnen und -besuchern erklärt, wie Zuge und Nase beim Geschmackssinn zusammenwirken. Für das Schmecken ist die Zunge zuständig. Sie kann süss, sauer, salzig und bitter unterscheiden. Die Gerüche werden durch die Nase aufgenommen. Über den Rachen sind Zunge, Gaumen und Nase verbunden. Sie machen den Geschmackssinn aus.

Gewürze waren unerschwinglich
In einem historischen Exkurs gab Karin Peter einen Einblick in den Speisezettel der Bevölkerung der Bodenseeregion vor 200 Jahren. Er beschränkte sich auf das, was in der Region angebaut und haltbar gemacht werden konnte: Brot, Grütze, Käse, Krautstiel, Kabis, Nüsse und Dörrobst. Getrunken wurde Wasser, Wein und Most. Gewürze aus dem Orient und aus dem fernen Osten waren für die breite Bevölkerung noch unerschwinglich. Eine grosse Bedeutung hatte dagegen das Salz – auch um Lebensmittel haltbar zu machen.

Geschmack löst Gefühle aus
Dass der Geschmackssinn mit Erinnerungen und Gefühlen verbunden ist, führte Karin Peter den interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern vor Augen, als sie fragte, womit sie den Geschmack von Zimt in Verbindung bringen würden. Hätte Karin Peter abstimmen lassen, wäre die Wahl wohl fast einstimmig auf die Winterzeit und auf Weihnachten gefallen. Weil der Geschmacksinn Erinnerungen und Gefühle auslösen kann, können bestimmte Gerichte durch ihnen Geschmack durchaus etwas wie Glücksgefühle auslösen: Der Rüeblisalat, die Rösti, das Milchreis, das die Mutter früher gemacht hat. Auch das Gegenteil – eine Abneigung gegenüber gewissen Düften und Geschmackskombinationen - ist denkbar.
So vorbereitet, schmeckten die Köstlichkeiten aus der Region beim Apéro im hinteren Teil der Berlinger Kirche doppelt gut: Das Brot, die verschiedenen Käsesorten, der Wein, die Baumnüsse und – vor allem – die Dörrbirnen.

Was Apostel Paulus sagen würde
Im Mittelpunkt des ökumenischen Gottesdienstes zur Schöpfungszeit stand eine Dialogpredigt von Pfarrer Lukas Mettler (evangelisch) und Seelsorgemitarbeiterin Anita Wirz (katholisch), in der sich Apostel Paulus (Lukas Mettler) zu den Essgewohnheiten der jungen christlichen Gemeinde in Korinth erklärte und sich im Gespräch mit einer Stimme aus der Gegenwart (Anita Wirz) Gedanken über die Produktion von Lebensmitteln in der globalisierten Welt des 21. Jahrhunderts machte. Angesichts des Raubbaus, den die Menschen in der Gegenwart an den Lebensgrundlagen der Erde betreiben, gab Paulus den Gottesdienstbesucherinnen zu bedenken, dass dies nicht die Freiheit sei, die er in Bezug auf das Essen gemeint habe. Wenn er damals gesagt habe: «Ob ihr esst oder trinkt oder sonst etwas tut, so tut alles zu Ehre Gottes», sei das so zu verstehen, dass die Freiheit dort ihre Grenzen habe, wo sie Gottes Schöpfung unwiederbringlich gefährde und zerstöre. Im Eingangsgebet war Pfarrer Lukas Mettler noch etwas deutlicher geworden: «Gott, lass uns nicht die Zukunft verspielen und wie blinde Närrinnen und Narren raffen ohne Ende, weil wir mehr und mehr besitzen und alles in der Hand behalten wollen.»

Schöpfungszeit hat Fuss gefasst
Der Gottesdienst war von der ökumenischen Arbeitsgruppe Schöpfungszeit der Evangelischen Landeskirche des Kantons Thurgau mitgestaltet worden. Zu Gast war Vroni Peterhans, Präsidentin des Vorstandes der Ökumenische Arbeitsgruppe für Kirche und Umwelt oeku, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Schöpfungszeit zu einem festen Bestandteil des Kirchenjahres zu machen. Bei der Ankündigung der Kollekte für oeku zeigte sich Vroni Peterhans erfreut, dass das Anliegen der Bewahrung der Schöpfung in den Thurgauer Landeskirchen in den letzten Jahren durch das Nachhaltigkeitslabel «Grüner Güggel» und durch die ökumenische Arbeitsgruppe immer mehr Fuss gefasst habe. Die praktizierende Bäuerin aus dem Kanton Aargau wies zudem auf die nationale Klimademonstration vom 28. September 2019 in Bern hin, an der sich oeku unter dem Motto «Kirchen für ein Klima des Wandels» beteiligen wird.

Ernst Ritzi

Die ökumenische Arbeitsgruppe lud im Anschluss an den Gottesdienst zum Austausch ein: «Ob ihr esst oder trinkt oder sonst etwas tut, so tut alles zu Ehre Gottes»

Esskulturhistorikerin Karin Peter (rechts) und Vroni Peterhans, Präsidentin von oeku Schweiz, beim Apéro nach dem Schöpfungszeit-Gottesdienst.

«Kirchen für ein Klima des Wandels»: Sigrid Strahlhofer von der Thurgauer Arbeitsgruppe SchöpfungsZeit teilt dieses Anliegen mit Vroni Peterhans.

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