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Kirche unterwegs zu ihrer Identität

Die zweite Thurgauer Gesprächssynode diskutierte im Pentorama Amriswil, was kirchliches Leben aus dem Glauben für das landeskirchliche Selbstverständnis und für die Wahrnehmung von aussen bedeutet. Auf der Spurensuche nach der Identität der Evangelischen Landeskirche leuchteten die Synodalen das Spannungsfeld zwischen grösstmöglicher Offenheit und möglichst klar umrissenen Profil aus.

„Wo gibt es bereits die landeskirchliche Identität, wo noch nicht? Wie kann man sie wachsen lassen, wie fördern, wer setzt sich dafür ein?“, so umriss Moderator Paul Baumann in Kurzform die Aufgabenstellung für die zweite Thurgauer Gesprächssynode am 23. August 2021. Dass der selbstkritische Blick in den Spiegel auch bei schonungsloser Offenheit durchaus liebevoll sein kann, zeigte sich bei der Spurensuche nach der landeskirchlichen Identität im Pentorama Amriswil. Im ersten von drei Diskussionsteilen befassten sich die Synodalen mit dem Ist-Zustand der Evangelischen Landeskirche Thurgau. Sie brachten ihre persönliche Kirchensicht ein zu Fragen, wie „Wer bin ich - wie werde ich wahrgenommen, wo ist jetzt schon Verbindendes sichtbar, wo ist die Identität bedroht, wo orte ich Potentiale, wo Defizite?“ Diakon Stefan Keller vom Vorbereitungsteam wünschte sich für die Eröffnungsrunde denn auch: „eine Kropfleerete, die ein heiliges Feuer der Unruhe entfacht“.

Brennpunkte ermittelt
Das von der Synode beauftragte Vorbereitungsteam hat sich auf das Thema „Kirche unterwegs zu ihrer Identität“ konzentriert und dabei auf Verbindendes und Trennendes fokussiert. Zu den vier Themenbereichen: den Glauben reflektieren, aus dem Glauben feiern, den Glauben beheimaten und den Glauben mit anderen leben, hat das Team Fragen zu möglichen Brennpunkten formuliert. Noch vor dem Einstieg in die Diskussionen haben die Teilnehmenden mit roten Punkten sichtbar gemacht, worin sie die grösste Sprengkraft für die landeskirchliche Identität sehen. Sprengpotential sehen viele Synodale in der Frage, wie die Landeskirche angesichts der Unterschiedlichkeit ihrer Mitglieder öffentlich Stellung beziehen soll und wie eine aktive kantonale Öffentlichkeitsarbeit aussehen müsste. Herauskristallisiert hat sich auch der Umgang mit widersprüchlichen theologischen Ansichten wie beim Missionsverständnis, Homosexualität oder Gottesbilder, aber auch wie die Kirche eine Sprache finden kann, in der sich engagierte, distanzierte, fromme, liberale und kritische Mitglieder wie Nichtmitglieder verständigen können. Beim kirchlichen Feiern scheiden sich die Geister am festgeschriebenen Sonntaggottesdienst und den Ansprüchen von Kerngemeinde, verschiedene Gruppen und Milieus. Auf struktureller Ebene sorgten vor allem Fragen zur kantonalkirchlichen Führung aber auch zur Gemeindeautonomie und der freien oder eben nicht freien Wahl der Gemeindezugehörigkeit für Kontroversen. Der Bezug zur EKS scheint dagegen von untergeordneter Bedeutung für die Wahrnehmung der landeskirchlichen Identität zu sein, wie die Gewichtung der Thurgauer Synodale zeigt.


Identität wachsen lassen
Um den Blick in die Zukunft ging es im zweiten und dritten Diskussionsteil. Aufbauend auf der Spurensuche, trugen die Synodale Gemeinsames und Identitätsverbindendes zusammen, ebenso Trennendes, das weiterverfolgt oder für das Identitätsverständnis toleriert werden soll. Zur Einführung vor jedem neuen Aufgabenblock stellte Paul Baumann Fragen an Christina Aus der Au, Stefan Keller und Hans Peter Niederhäuser, Mitglieder des Vorbereitungsteams. „Identität wächst im Gespräch und in den Beziehungen, weniger in den Strukturen“, ist Aus der Au überzeugt.

Humor verbindet
„In der Landeskirche kann es nicht darum gehen, Einheit zu suchen, sondern den einheitlichen Umgang mit unserer Vielfalt.“, betonte Hans Peter Niederhäuser. Ein Ansinnen, das Pfuschi, der Gast aus Bern, auf meisterhafte Weise umzusetzen verstand. Dem Cartoonisten gelang es mit seinen auflockernden Beamer-Einlagen, die Meinungsvielfalt, die er beim Mithören an den Diskussionstischen aufschnappte, humorvoll und gemeinschaftsstiftend zu spiegeln.

Aktiv werden
In wechselnden Tischgruppen liessen die Teilnehmenden wachsen, was andere vor ihnen gesät haben. Für die Weiterarbeit bündelten sie ihre Ernte unter Themenbereiche. „Wir wollen nicht in blinden Aktivismus verfallen, sondern den Fokus auf unsere Identität richten“, rief Aus der Au in Erinnerung. Was sich aus Sicht der Gesprächssynode aktiv zu stärken lohnt, bekam in der dritten Runde Fleisch an die Knochen. Die Tischgruppen formulierten konkrete Bereiche mit Handlungsbedarf und Ideen zu identitätsfördernden Massnahmen. Einzelne Stimmen monierten die aus ihrer Sicht eher zurückhaltende Konkretisierung oder sie fanden ihre Anliegen zu wenig berücksichtigt. Synodepräsidentin Judith Hübscher stellte in Aussicht, dass die Vorbereitungsgruppe auch noch Anliegen aufnehmen könne, die es nicht bis in die Schlussrunde geschafft hatten. Damit die Ideen nicht im Sand verlaufen, waren die Teilnehmenden aufgerufen, sich für die Weiterverfolgung ihrer Gedanken in Interessengruppen einzutragen. Was dann an möglichen Vorstössen umgesetzt wird und auf welche Weise, das entscheiden je nach Zuständigkeit der Kirchenrat oder die Synode.

Brunhilde Bergmann

Weitere Bilder

Gesprächssynode: Anders als im parlamentarischen Betrieb diskutierten die Synodalen in Tischgruppen mit wechselnder Zusammensetzung.

Cartoonist Pfuschi hört mit und macht sich Notizen.

Synodepräsidentin Judith Hübscher (links) hört aufmerksam zu.

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