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tef - ein sozialgeschichtliches Jahrhundertprojekt

Seit 120 Jahren setzt sich die Thurgauische Evangelische Frauen- und Familienhilfe tef gezielt für Hilfe für Frauen in Not und für bessere soziale Rahmenbedingungen ein. Vereinspräsidentin Elisabeth Hummler und Sozialarbeiterin Rosmarie Günthör blicken zum 120-Jahr Jubiläum auf den erstaunlichen Leistungsausweis der tef zurück. Pandemiebedingt wird die Jubiläumsfeier auf einen noch nicht definierten Zeitpunkt verschoben.

 

Was im Jahr 1901 mit der Gründung des „Thurgauischen Vereins zur Hebung der Sittlichkeit“ begonnen hat, entpuppte sich im Rückblick als sozialgeschichtliches Jahrhundertprojekt. Was Frauen damals in enormer Freiwilligenarbeit auf die Beine gestellt haben und was die tef heute noch alles leistet, widerspiegelt Thurgauer Sozialgeschichte. Elisabeth Hummler aus Bettwiesen ist Präsidentin des Vereins Thurgauische Evangelische Frauen- und Familienhilfe tef -einer der ältesten Frauenverbände der Schweiz. Sie zieht die Fäden im Hintergrund, Sozialarbeiterin Rosmarie Günthör wirkt in der tef-Beratungsstelle in Weinfelden an vorderster Front. Als professionelle Beraterin bekommt sie täglich mit, wie Änderungen in persönlichen Lebenssituationen für Frauen und ihre Familien Probleme nach sich ziehen und wo Menschen durch die Maschen im Sozialnetz fallen.

Pionierarbeit im Thurgauer Sozialwesen
Nebst Hebung der Sittlichkeit im Volk und Rettung und Bewahrung gefallener Mädchen, kämpften die Gründungsfrauen auch für bessere gesetzliche Bestimmungen zum Schutz des weiblichen Geschlechts. Günthör zeigt grosse Hochachtung vor den Gründungsfrauen und ihren Nachfolgerinnen: „Man muss ihr Engagement aus der Zeit heraus interpretieren“. Die tef hat sich stets dem gesellschaftlichen Wandel und seinen Herausforderungen gestellt, ihre Aufgaben entsprechend angepasst und weiterentwickelt. Die Geschichte der tef ist eng mit der des Kantons verknüpft. So wurde im Jahr 1919 das Thurgauische Frauensekretariat -die spätere Beratungsstelle der tef- gegründet und die erste professionelle Fürsorgerin im Kanton eingestellt. Sie kümmerte sich im Auftrag des Kantons um straffällige Frauen und um schwangere Mädchen. Im Krieg musste sie sich um Vaterschaftsangelegenheiten für Soldatenkinder kümmern. Heute geht es nicht mehr um Schutzaufsicht und Fürsorge, sondern um Beratung und Förderung der Eigenverantwortung, eine Kernaufgabe der tef. Weitere Leuchtturmprojekte von tef sind zum Beispiel die Mithilfe bei der Gründung der kantonalen Pflegekinderkommission und der kantonalen Beratungsstelle für Familienplanung, Schwangerschaft und Sexualität sowie der Aufbau der Opferhilfe für den Kanton. Seit 40 Jahren betreibt die tef den Kanzler, sozialpsychiatrische Betreuungsangebote, in Frauenfeld.
Frauenpower und ein Mann
Warum ist nach 120 Jahren Solidaritätsprinzip „Hilfe von Frauen für Frauen“ mit dem Münsterlinger Gemeindepräsidenten René Walther, erstmals ein Mann im Vorstand? Die Präsidentin antwortet: „Das ist Anpassung an die gelebte Realität. Unsere Beratungsstelle wird zunehmend auch von Familien und männlichen Jugendlichen aufgesucht, da wir niederschwellig und unbürokratisch Hilfe bieten und Perspektiven aufzeigen. Die Beratung erfolgt kostenlos und unabhängig von Konfession und Nationalität. “ Die Statutenänderung im letzten Jahr hat sich auch im Vereinsnamen niedergeschlagen. Aus der Thurgauischen Evangelischen Frauenhilfe wurde die Thurgauische Evangelische Frauen- und Familienhilfe tef. Geblieben ist der Grundgedanke, professionelle Arbeit aus christlicher Haltung anzubieten.

tef als gelebtes Sozialprojekt
„Direktbetroffene wie auch die Gesellschaft profitieren von der tef.“, sind sich Hummler und Günthör einig. Sie betonen die gewaltige Leistung von Frauen, die seit 120 Jahren mit ihrem freiwilligen Engagement die tef zu dem gemacht haben, was die tef heute ist: ein gelebtes Sozialprojekt. „Ihre Pionierarbeit stiess oft auf harten Widerstand“, erklärt Günthör und Hummler ergänzt: „Vor allem wenn es ums Geld ging -und geht! Die Finanzierung ist seit 120 Jahren ein Problem“. Der Verein muss selbst für seine Mittel aufkommen. Dies geschieht durch Mitgliederbeiträge, Spenden, Legate und vor allem auch unentgeltliche Mitarbeit. Ideell und finanziell bieten auch der Kanton Thurgau und die Thurgauer Evangelische Landeskirche Unterstützung. Auch die Muttertagskollekte aus Gottesdiensten kommt der wertvollen Arbeit von tef zu. Leider wird die Jubiläumsfeier pandemiebedingt auf einen noch nicht definierten Zeitpunkt ins Folgejahr verschoben.

Brunhilde Bergmann

Die tef berät Frauen und ihre Familien in schwieigen Lebenssituationen, so auch in der Frage der Neuorientierung. Bild: iStock

Sozialarbeiterin Rosmarie Günthör (links) von der tef Beratungsstelle für Frauen & ihre Familien in Weinfelden mit tef-Vereinspräsidentin Elisabeth Hummler

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